Achtsamkeit – Das Kaffee-Ritual

13. Dezember 2020
Achtsamkeit - Das Kaffee-Ritual

Achtsamkeit

Im heutigen Beitrag möchte ich mit Euch ein bisschen das Thema Achtsamkeit betrachten und Euch eine Übung vorstellen, welche mir persönlich seit vielen Jahren hilft, meine Achtsamkeit zu verbessern. Das beste dabei ist, wenn Ihr Kaffee oder Tee mögt, wird sie Euch auch noch schmecken.

Stress & Genuss…

Achtsamkeit ist heute ein bekannter Begriff in unseren Breitengeraden und wird häufig mit Stressabbau in Verbindung gebracht. Darauf hat Achtsamkeit auch einen nachgewiesenen, positiven Effekt. Was ich aber heute mit Euch betrachten möchte, ist die genussvolle Seite von Achtsamkeit bzw. wie wir Achtsamkeit dazu nutzen können, unseren Genuss zu entdecken und zu steigern.

Was ist Achtsamkeit…

Kurz gesagt können wir Achtsamkeit als intensive und neutrale Aufmerksamkeit-, Bewusstheit für die Gegenwart interpretieren. Dabei richtet sich die Neutralität vor allem darauf, unsere Beobachtungen wertfrei zu betrachten, nicht zu interpretieren und unsere Gedanken und Körperreaktionen auf das Beobachtete wahr zu nehmen.

Wir können sagen, Achtsamkeit ist die bewusste Wahrnehmung und das Erleben des aktuellen Momentes, mit allen Gedanken, Emotionen, Sinneseindrücken und körperlichen Reaktionen. Kurzum alles. Und alles ohne es als gut oder schlecht zu bewerten, ohne es zu kategorisieren oder einzuordnen. Es ist eine neutrale Wahrnehmung dessen, was gerade ist.

Die große Herausforderung…

Wenn wir uns die Erklärung von Achtsamkeit anschauen, kann uns schnell schwindelig werden. Wie sollen wir das denn hinbekommen? Unser Kopf macht doch quasi von morgens bis abends nichts anderes, als Situationen, Sinneseindrücke und Sprache zu interpretieren und zu bewerten. Ich kann mir gut vorstellen, dass allein die Beschreibung des Begriffes für den einen oder anderen bereits das Sprungbrett zum Ausstieg des Themas ist. Die Beschreibung kann schnell eine sehr hohe Erwartungshaltung wecken und genau da setzen wir mit unserem Sprung zur Übung an. Mit einer ganz einfachen Sache, welche wir bereits fast alle täglich machen und uns nicht gleich dazu zwingt, zum Gipfelstürmer zu werden.

Kaffee oder Tee…

Um nicht gleich mit einer Gipfelbesteigung zu starten habe ich einmal geschaut, was ich persönlich so mache, um meine Achtsamkeit zu trainieren. Dabei ist mir mein „Kaffee-Ritual“ in den Sinn gekommen, welches ich nun gerne mit Euch teilen möchte. Quasi meine kleine Inspiration zu dem Thema.

Das Kaffee Ritual…

Einmal am Tag nehme ich mir zehn bis fünfzehn Minuten Zeit, einen, „meinen“ Kaffee zuzubereiten. Das ist nicht immer der erste Kaffee des Tages, aber manchmal auch der erste.

Wenn ich mir meinen „Kaffee des Tages“ zubereite gönne ich mir dabei die volle Aufmerksamkeit. Ich öffne meinen Küchenschrank, achte dabei darauf, wie sich der Griff des Schrankes anfühlt, wie meine Augen das Rot der Schranktüre erfassen und wie sich die Tür langsam durch die Bewegung meines Armes öffnet. Ich lasse meinen Blick über die Tassen schweifen und warte ab, bis ich einen inneren Impuls spüre, der mir zeigt, aus welcher Tasse ich meinen Kaffee des Tages heute trinken möchte. Heute war es eine Tasse aus weißer Keramik mit einem kleinen Kitschen am oberen Rand, rechts neben dem Henkel. Ich greife die Tasse am Henkel und fühle ganz bewusst hin, wie die Keramik meine Fingerkuppen berührt und dann von meinen Fingern umschlossen wird. Wie es kurz kühl wird und die Keramik sich dann langsam an die Temperatur meiner Haut anpasst oder meine Haut an die Kühle der Keramik, wer weiß das schon. Mit der Tasse in der Hand gehe ich hinüber zur Kaffeemaschine und stelle sie neben der Kaffeemaschine auf die Anrichte.

Ich greife links zu dem kleinen Plastikbehälter mit den Kaffeepads. Im Gegensatz zur Tasse fühlt sich die Plastickbox nicht kalt an. Sie ist angenehm weich und hat fast die Temperatur des Raumes. Langsam öffne ich den Deckel und nehme einen Atemzug des Kaffeegeruchs. Ein angenehmer Duft in meiner Nase. Ich kippe die kleine, rundliche Box leicht zur Seite und nehme mit meinem Daumen und Zeigefinger ein Kaffeepad heraus. Die Schicht des Pads ist weich und leicht rau. Aber kein unangenehmes raues Gefühl eher ein robustes, den Inhalt schützendes rau.

Ich lege das Pad in die Kaffeemaschine und klappe den Deckel zu. Anschließend starte ich die Kaffeemaschine und warte bis sich das Gerät aufgeheizt hat. Dabei nehme ich die Geräusche wahr, die die Maschine während des Prozesses so von sich gibt, wie sie in mein Ohr dringen und wie mein Körper auf das Geräusch reagiert.

Während die Maschine sich aufheizt, greife ich mit meiner rechten Hand oben zum Schrank, um die Honigtube zu greifen. Der Honig ist in einer Plastiktube. Genau wie die Verpackung der Kaffeepads hat das Plastik des Honigs eine angenehme Temperatur. Mit der linken Hand öffne ich den kleinen Verschluss unterhalb der Plastiktube, um etwas Honig in die Tasse zu geben. Mit leichtem Druck der rechten Hand drücke ich etwas Honig in die Tasse. Ich beobachte, wie der Honig auf den Boden der Tasse trifft, wie er verläuft, sich an die Keramik schmiegt und passe den Augenblick mit meinem Augenmaß ab wo genügend Honig in der Tasse ist. Dann lasse ich den Druck los und stoppe den Honigfluss. Beim Anhalten beobachte ich, wie kleine Luftblasen in der Honigtube entstehen. Ich schaue mir kurz an, wie diese Luftblasen im inneren der Tube emporsteigen. Gleichzeitig verschließe ich den Deckel der Tube.

Anschließend stelle ich die Tasse unter die Öffnung der Kaffeemaschine, aus der der Kaffee austreten wird. Dann drücke ich den Startknopf und beobachte, wie langsam der Kaffee in die Tasse hineinläuft. Ich lausche, welche Geräusche die Maschine dabei macht und wie langsam der Duft des Kaffees in meine Nase steigt.

Hmmm, ein feines, weiches Aroma.

Nachdem der Kaffee vollständig in die Tasse geflossen ist, gehe ich zum Kühlschrank, um mir Milch zu holen. Mit der rechten Hand greife ich den metallenen Griff. Spüre die glatte Oberfläche des Materials, die leichte kühle. Mit einem leichten Ziehen öffne ich den Kühlschrank und greife die Milchpackung mit der linken Hand. Der Plastik-Papp-Karton liegt dabei angenehm in der Hand. Die Kühle der Milch wird von der Handinnenfläche wahrgenommen, ist dabei aber nicht unangenehm. Ich schließe den Kühlschrank und gehe zurück zum Kaffee. Ich wechsele die Milch von der linken in die rechte Hand und öffne langsam mit der linken Hand den Schraubverschluss. Dabei bemerke ich die geriffelten Kanten des runden Verschlusses. Fühlt sich nicht so angenehm an wie der Rest der Verpackung. Vorsichtig lasse ich die Milch in den Kaffee fließen. Ich beobachte, wie sie die Crema des Kaffees durchdringt und sich die Farbe des Kaffees und der Füllstand der Tasse langsam ändern. Mittlerweile weiß ich, wie viel Milch ich benötige, um meine Lieblings-Trinktemperatur zu haben. Ich erkenne es bereits an der Farbe des Kaffees.

Geschafft. Der Kaffee ist fertig.

Ich stelle die Milch zurück in den Kühlschrank und rühre vorsichtig mit einem kleinen Teelöffel durch den Kaffee, um den Honig zu verteilen. Dabei ist am Anfang noch ein leichter Widerstand zu spüren, man merkt die leicht zähflüssige Konsistenz des Honigs beim Rühren.

Dann, wenn sich der Honig vollständig mit dem Kaffee verbunden hat, greife ich die Tasse mit der rechten Hand am Henkel und nehme einen genussvollen Schluck. Auf dem Weg zum Mund rieche ich den Duft des Kaffees, welcher sich durch die Zugabe der Milch und des Honigs verändert hat. Eine süßlichere Note steigt nun in die Nase. Ich lasse all meine Sinne darauf wirken, spüre wie der etwas mehr als lauwarme Kaffee meine Lippen und die Zunge berührt um anschließend den gesamten Mundinnenraum zu benetzen. Ich lasse den Schluck Kaffee einen Augenblick im Mund, ehe ich ihn mit einer Schluckbewegung verspeise.

Na, wie wirkt das auf dich? Konntest du den Prozess der Zubereitung fast schon vor deinem geistigen Auge sehen? Ich denke, wenn wir uns für diesen kleinen Genuss zehn bis fünfzehn Minuten am Tag zeitnehmen, werden wir mit der Zeit alle eine solche Kaffee Geschichte beschreiben können. Für mich ist das tägliche Achtsamkeit und leichter in unseren Alltag zu integrieren. Für mich gilt, weniger ist mehr, Fortschritt nicht Perfektion.

Durch diese Übung bin ich aktiver im Augenblick, in der Gegenwart, habe mein Genussempfinden verstärkt und bin gelassener geworden.

Die Methode funktioniert auch wunderbar mit Tee 😉

In diesem Sinne, viel Spaß bei der Zubereitung und lass es Dir schmecken!

Alles Liebe

Euer Pierre

Hier nochmal das Ganze in Bild & Ton

Über den Autor

Pierre Alexander Hilbig

Pierre Alexander Hilbing

Seit 2017 bin ich als selbstständiger Coach tätig und darf tagtäglich zu günstigen Wendungen und nachhaltigen Lösungen in herausfordernden Situationen beitragen, sowie Vorträge und Trainings als Dozent geben.